Sanfte Bienen sind schlampig
von Imkerfreund Harald Pieper
Wir waren nicht wegen der Bienen in Utah. Es war eine fast 4-wöchige Reise per Wohnmobil durch die USA. Trotzdem haben wir Entdeckungen gemacht, die auf besondere Weise mit Bienen zusammenhängen.
So eine Flagge, die ich aus Utah mitbrachte, dem – so glaube ich – einzigen Staat mit Bienenkorb in der Flagge(Bild).
Auch ein Artikel in der „ZEIT“ (Ausgabe Nr. 02/1964) beschäftigt mich seit Jahren. Sanfte Bienen, die meine Nachbarn nicht stechen! Diesen Traum habe ich ausgeträumt. Nach zwei erfolgreichen Belegstellenjahren in Theerhütte und Reinzuchtmaterial aus Wangerooge und F1-Königinnen (alles Carnica) mache ich wieder Basiszucht. Alles andere ist mir zu aufwendig.
Hier ein Ausschnitt aus dem erwähnten Artikel: „Sanfte Bienen sind schlampig“
Als den Gregor Mendel der Verhaltensforschung kann man Professor Walter C. Rothenbuhler an der Ohio State University in Columbus, USA, bezeichnen. Er hat jetzt bewiesen, was seit Jahrzehnten von führenden Zoologen in aller Welt sowohl leidenschaftlich verfochten als auch energisch negiert wurde: Nicht nur Körperformen, sondern auch einzelne Elemente in den Verhaltensweisen der Tiere sind in Genen fest verankert. Beim Experimentieren mit Honigbienen fiel dem amerikanischen Insektenforscher, auf, daß es zwei Linien von Bienenvölkern gibt, die sich lediglich in den zwei Verhaltensweisen der Angriffswut und der Sauberkeit unterscheiden. Die Arbeiterinnen der Linie A sind sehr sanftmütig. In den zahlreichen durchgeführten Versuchen wurde nur einmal ein Assistent von diesen Bienen gestochen. Gleichzeitig sind die Friedfertigen aber auch unsauber. Sie lassen Brut, die in den Wabenzellen abgestorben ist, unbekümmert faulen und verwesen. Nicht so die sehr aggressiven Arbeiterinnen der Linie B, die den Wissenschaftlern während der gleichen Versuchsreihe 150 Stiche beibrachten. Diese Bienen befördern jede Larve unmittelbar nach deren Tod ins Freie. Das „Kolumbus-Ei“ Rothenbuhlers lag nun darin, diese beiden Verhaltenstypen auf dem Wege der künstlichen Befruchtung miteinander zu kreuzen. Die Bastarde der ersten Generation verhielten sich ausnahmslos „unhygienisch“. Sodann wurden die Königinnen unter diesen Bastarden auf die elterlichen Linien zurückgekreuzt, und bei den daraus entstandenen 28 Bienenvölkern zeigte sich ein erstaunliches Ergebnis:
In sieben Völkern öffneten die Arbeiterinnen die Zellen mit Faulbrut sofort und säuberten sie. In anderen sieben Völkern öffneten sie zwar die Zellen, aber die toten Larven ließen sie stets darin. In weiteren sieben Völkern entfernten die Bienen die Faulbrut, jedoch nur dann, wenn ihnen zuvor die Arbeit des Zellenöffnens abgenommen wurde. Im letzten Viertel der Völker öffneten die Arbeiterinnen weder die Zellen noch schafften sie die tote Brut aus den von Menschenhand geöffneten Zellen fort. Exakter konnte Gregor Mendel den Erbgang nicht einmal an Erbsen nachweisen.
Dieses eindeutige Ergebnis läßt nur eine Schlußfolgerung zu: In der Erbsubstanz der Bienenchromosomen befindet sich ein rezessives Gen für das öffnen von Zellen mit toter Brut und ein anderes rezessives Gen für das Forttragen der toten Brut. Um sicherzustellen, daß der Stock von krankheitserregender toter Brut gesäubert wird, muß also nach den Worten von Professor Rothenbuhler eine Arbeiterin jedes dieser beiden Gene von jedem Elternteil, also von der Königin und von der Drohne erhalten.
Dieses Ergebnis zeigt, daß es leider unmöglich ist, nicht stechende Bienen zu züchten, denn Sanftmut ist bei diesen Tieren in ein und demselben Erbfaktor mit dem Unvermögen gekoppelt, den Stock von Krankheitsherden zu säubern.
Außerdem bestätigen Rothenbuhlers Experimente die Vielschichtigkeit des Instinktphänomens. Schon vor einiger Zeit hatten die Professoren Konrad Lorenz und Erich v. Holst, beide Direktoren am Max-Planck-Institut für Verhaltensphysiologie in Seewiesen, darauf hingewiesen, daß die sogenannten „großen“ Triebe aus zahlreichen „kleinen“ Trieben verhaltensgenetisch zusammengesetzt sind.
Vitus B. Dröscher
Anbei auch ein detailreiches Foto einer Imme (Foto: Imkerfreund Harald Pieper)